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Neues Datenschutzrecht ist überfällig

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Thomas Mrazek
Foto: Thomas Geiger

Thomas Mrazek arbeitet als freier Journalist, Dozent und Berater in München. Er engagiert sich im Bayerischen und Deutschen Journalisten-Verband und im netzwerk recherche. In diesen Verbänden spielt der Datenschutz eine wichtige Rolle.

 

Ein Interview von Gabriele Lemos

Herr Mrazek, Sie fordern, dass der Deutsche Bundestag die Pressefreiheit und den Schutz der Informanten besser gewährleisten soll. Wie könnte das aussehen?
Von der Bundesregierung müssten zunächst mal erkennbare politische Signale ausgehen, dass der Staat angesichts der NSA-Affäre das Grundrecht auf Pressefreiheit aktiv verteidigt. Hier kann ich allerdings kaum Bemühungen feststellen, die Probleme werden bagatellisiert und letztlich ausgesessen. Eingriffe in die freie Kommunikation werden nicht sanktioniert.

Was meinen Sie damit konkret?
Die Bundesregierung müsste beispielsweise beim Whistleblowing ansetzen. Beim gesetzlichen Schutz von Informanten liegt Deutschland laut einer Studie von Transparency International Deutschland weit unter dem Durchschnitt der G20-Staaten. Das sind keine unrealistischen Forderungen, das ist schon gar kein Alarmismus – dass sind für unsere Demokratie essentielle Dinge, aber es scheint hierzulande einfach der politische Wille, die politische Kultur zu fehlen, um sie ernsthaft anzugehen. Das empfinde ich als beschämend.

Wie sollte die Gesellschaft darauf reagieren, dass Geheimdienste in den vergangenen Jahren das Netz zu einer globalen Überwachungsinfrastruktur umgebaut haben?
Die Dimension der globalen Überwachung ist – wie sich etwa in einschlägigen Umfragen immer zeigt – vielen Menschen offenbar nicht klar. Das beliebteste Argument lautet „Ich habe doch nichts zu verbergen“. Andere haben hingegen schon resigniert: „‚Die wissen doch eh schon alles über uns“ und man könne gegen Überwachung nichts tun. Wenig hilfreich sind dabei freilich auch krude Verschwörungstheorien, die das andere Extrem darstellen. Es gibt ja bereits zahlreiche zivilgesellschaftliche Initiativen, die sich um eine sachgemäße Aufklärung zu diesen Themen bemühen. Auch das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik bietet hier konkrete Hilfen an, die für jeden Bürger umsetzbar sind. Freilich muss erst mal das Bewusstsein vorhanden sein, dass es auch für den Einzelnen wichtig ist, sich mit diesen Themen zu beschäftigen und daraus eigene Konsequenzen für das künftige Kommunikationsverhalten zu ziehen. Und da kann man doch – ohne technisch überfordert zu werden – einiges tun!

Lassen Sie uns über Ihre Arbeit sprechen: Bekommen Sie die Folgen der Überwachung unmittelbar zu spüren?
Der Journalismus leidet selbstverständlich unter diesem Klima der Unsicherheit, das durch die Überwachung entstanden ist. Informanten, die anonym bleiben wollen oder müssen, überlegen sich möglicherweise sehr genau, ob sie überhaupt mit Journalisten in Kontakt treten wollen. Das Gewährleisten einer sicheren Kommunikation wird immer schwieriger und für alle Teilnehmer komplizierter. Als Journalist sollte man sich dieser Bedingungen bewusst sein und offensiv entsprechende Maßnahmen betreiben, um für sich und vor allem für die Kommunikationspartner eine vor Überwachung sichere Kommunikation zu garantieren.

Befürchten Sie inzwischen Konsequenzen für die Meinungsfreiheit?
Ja, denn wo eine von Überwachung freie Kommunikation nicht gewährleistet ist, leidet natürlich die Meinungsfreiheit. Diesen Fakt darf man freilich nicht dramatisieren, aber auch nicht bagatellisieren.

Wie gehen Sie mit den Social Media Plattformen wie Facebook oder Twitter um?
Ich kann aus mehreren Gründen nicht auf die Anwendung sozialer Netzwerke verzichten, das dürfte mittlerweile für die meisten Journalisten gelten. Aber ich habe ehrlich gesagt kein gutes Gefühl bei der Nutzung dieser Angebote – das Geschäftsmodell der meisten sozialen Netzwerke basiert auf der Erhebung und Verwertung von Userdaten. Und was konkret mit den erhobenen Daten passiert, ist selbst für Experten undurchschaubar. Meine Konsequenzen daraus: Ich versuche sehr sparsam mit den von mir verbreiteten Informationen umzugehen; ich überlege mir genau, was ich preisgebe und was nicht. Ich wäge auch genau ab, mit wem ich überhaupt über soziale Netzwerke kommuniziere und mit wem – beispielsweise aus Sicherheitsgründen – überhaupt nicht. Die „Sicherheitseinstellungen“ der Anbieter halte ich indes nur für eine schlichte Fassade, die den Nutzer in vermeintlicher Sicherheit wiegen sollen.

Mehr dazu im Beitrag Google und Facebook wissen mehr als Sie glauben

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