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Recht und Un-Recht beim Informantenschutz

Pressefreiheit ist in Deutschland ein hohes Gut. Dazu gehört auch der Informantenschutz. Damit das so bleibt, muss das Bundesverfassungsgericht immer wieder aktiv werden.

© ArtemSam

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Eine ganze Reihe von Gesetzen regelt in Deutschland die freie Berichterstattung – und ihre Grenzen. Voraussetzung für eine freie Berichterstattung ist, dass Journalisten frei und ungehindert recherchieren können, um an relevante Informationen zu kommen. Dazu sind sie auch auf Informanten aus Unternehmen oder Behörden angewiesen, die Insiderwissen preisgeben und so zur Aufklärung von Missständen beitragen. Solche Informanten nehmen oft ein hohes persönliches Risiko auf sich und riskieren manchmal ihren Arbeitsplatz, ihre Existenz oder sogar ihr Leben. Ein Informant muss sich daher gegenüber einem Journalisten darauf verlassen können, dass er als Informationsquelle nicht identifizierbar ist und es auch bleibt. Deutsche Gesetze und Verordnungen gewähren daher Journalisten mehr Rechte und Freiheiten als anderen Bürgern, vor allem beim Zeugnisverweigerungsrecht. Die wichtigsten Paragrafen hat die Deutsche Journalistinnen- und Journalisten-Union im Fachbereich 8 der Vereinten Dienstleistungsgewerkschaft zusammengestellt:

Presse_Gesetze

https://dju.verdi.de/++file++51cc143c890e9b674b0018e3/download/%5CBLNPFS01%5Cjournal%24%5CRelaunch%5CTarif%5CJournalismus%20konkret%5Cjourkon1_neu_geringe_aufloesung.pdf
Abgerufen am 12. Januar 2015

 

Die in Artikel 5 Absatz 1 des Grundgesetzes garantierte Pressefreiheit wird durch Art. 5 Abs. 2 GG eingeschränkt: „Diese Rechte finden ihre Schranken in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze, den gesetzlichen Bestimmungen zum Schutze der Jugend und in dem Recht der persönlichen Ehre.“

Gefährdung der Pressefreiheit – die „Spiegel“-Affäre

In der Geschichte der Bundesrepublik gab es einige spektakuläre Fälle, bei denen Ermittlungsbehörden Redaktionen durchsuchten, Unterlagen beschlagnahmten und Journalisten verhafteten. Vor Gericht wird immer wieder um den Stellenwert der Pressefreiheit in Abwägung zu möglichen Vergehen wie Geheimnisverrat, Verletzung von Dienstgeheimnissen, Landesverrat oder auch dem Schutz der Menschenwürde gerungen. In der Geschichte der Bundesrepublik gab es immer wieder spektakuläre Fälle, bei denen Ermittlungsbehörden Redaktionen durchsuchten, Unterlagen beschlagnahmten und Journalisten verhafteten.

Der wohl prominenteste Fall liegt schon lange zurück: Die legendäre „Spiegel“-Affäre entstand 1962, als die Räumlichkeiten des Magazins in Hamburg und Bonn durchsucht, Redakteure und der damalige Herausgeber des „Spiegel“, Rudolf Augstein, verhaftet wurden. Anlass war ein Bericht mit dem Titel „Bedingt abwehrbereit“ über die angeblich mangelnde Schlagkraft der Bundeswehr.

Letztlich konnte ein Verrat von Staatsgeheimnissen aber nicht nachgewiesen werden. Der Bundesgerichtshof entschied 1965 gegen die Eröffnung eines Hauptverfahrens. Eine Klage des „Spiegel“ gegen die Durchsuchung und Beschlagnahme wurde 1966 abgewiesen (bei Stimmengleichheit der Richter). Das Bundesverfassungsgericht stellte aber in seiner Begründung ausdrücklich fest: „Eine freie, nicht von der öffentlichen Gewalt gelenkte, keiner Zensur unterworfene Presse ist ein Wesenselement des freiheitlichen Staates; insbesondere ist eine freie, regelmäßig erscheinende Presse für die moderne Demokratie unentbehrlich.“ Das „Spiegel-Urteil“ gilt daher als grundlegend für die Stärkung der Pressefreiheit in Deutschland.

Für „Spiegel“ ist der Fall noch nicht abgeschlossen, wie ein Bericht aus dem Jahr 2012 belegt. Die Kritik richtet sich gegen den Bundesnachrichtendienst, der auch 50 Jahre nach den Ereignissen eine vollständige Einsicht in Unterlagen verweigere. 2014 wurde eine Verfilmung der damaligen Ereignisse im öffentlich-rechtlichen Fernsehen ausgestrahlt.

Durchsuchungen bei „Cicero“

Ein anderer bekannter Fall aus jüngerer Zeit betrifft die Zeitschrift „Cicero“. Hier wurden 2005 die Redaktion sowie Wohnung und Arbeitsplatz eines freien Redakteurs durchsucht, nachdem ein Bericht über die Finanzierung islamischer Terroristen erschienen war, der auf Papieren des Bundeskriminalamtes beruhte. Das Bundesverfassungsgericht urteilte 2007 zu Gunsten des „Cicero“.

Schutz auch für Privaträume von Journalisten gefordert

Die bisherigen gesetzlichen Regelungen gelten nur für Redaktions- und Diensträume von Medienunternehmen. Die privaten Räume der Journalisten, insbesondere die der frei arbeitenden, sind nicht geschützt. Hier kann beispielsweise der Richtervorbehalt durch das Argument „Gefahr im Verzug“ besonders leicht ausgehebelt werden. Journalistenverbände fordern hier seit langem eine ergänzende gesetzliche Regelung.

Handlungsbedarf besteht auch beim Umgang mit digitalen Daten und Informationen, die auf externen Servern bei Dienstanbietern gespeichert sind und in einer Cloud liegen. Nach derzeitiger Rechtslage sind die Dienstanbieter zur Herausgabe der Informationen verpflichtet. Investigativ arbeitende Journalisten sollten sich daher aus Sicherheitsgründen nicht in Clouds bewegen.

Laufende gesetzliche Anpassungen notwendig

Mit der Entwicklung neuer Techniken und Berufsausrichtungen im Journalismus ergeben sich neue Fragen: Sind Blogger auch Journalisten, wenn sie keinen Presseausweis haben? Müssen sie überall gleichberechtigt zugelassen werden?

Das 2008 in Deutschland in Kraft getretene neue Gesetz zur Telekommunikationsüberwachung, besser bekannt unter dem Stichwort Vorratsdatenspeicherung, war von Anfang an umstritten. Es wurde 2010 vom Bundesverfassungsgericht für verfassungswidrig erklärt (Verstoß gegen Art. 10 Abs. 1 GG). Nach dem Terroranschlag im Januar 2015 in Paris wird in Deutschland jedoch erneut über die Vorratsdatenspeicherung diskutiert – trotz der eindeutigen Entscheidung des obersten deutschen Gerichtes.

Auf europäischer Ebene wurde ebenfalls eine Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung gekippt: Der Europäische Gerichtshof in Luxemburg entschied im April 2014, dass die seit 2006 bestehende Regelung nicht mit der Charta der Grundrechte der Europäischen Union vereinbar sei.

In Deutschland wiederum hat der Bundesgerichtshof im Juli 2014 entschieden, dass Anbieter von Internetdiensten die IP-Adressen ihrer Kunden für interne Zwecke bis zu sieben Tage speichern dürfen.

Internationale Unterschiede im Umgang mit der Pressefreiheit

Wie es international um die Pressefreiheit bestellt ist, dokumentiert das globale Netzwerk Reporter ohne Grenzen e.V. Hier wird beispielsweise jährlich eine Rangliste der Pressefreiheit erstellt. Aktuell (Stand Februar 2014, gilt für den Zeitraum von Dezember 2012 bis Mitte Oktober 2013) rangieren auf den ersten 20 Plätzen 17 europäische Länder sowie Neuseeland, Jamaika und Kanada. Deutschland liegt auf Platz 14, hinter skandinavischen Staaten und einigen kleineren europäischen Ländern. Am Ende der Liste mit 180 Ländern halten sich seit Jahren Eritrea, Nordkorea und Turkmenistan.

2014 wurde erstmals eine Liste von „100 Information Heroes“ erstellt. Sie enthält 100 Profile von Journalisten und Akteuren, die über besondere Missstände oder Verbrechen aufgeklärt haben.

Solange Journalisten in ihrer Arbeit behindert, des Landes verwiesen, entführt oder sogar getötet werden, ist das Recht auf Pressefreiheit sowie Informantenschutz nicht selbstverständlich, auch nicht in unserer Demokratie.

Autorin: Astrid Kösterke unter Verwendung von Informationen und Anregungen von Arnold Mainka, Dozent der Stiftung Journalistenakademie Dr. Hooffacker GmbH & Co. KG

Buchtitel Informantenschutz von Peter Welchering und Manfred Kloiber

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Peter Welchering und
Manfred Kloiber:
Informantenschutz
EAN 978-3-658-08718-0
Preis: noch offen